Das eiserne Herz

Vor Jahren…

Immer wieder hatte Keene wegen des dicklichen Jungen Edwin Prügel kassiert. Sei es von den Eltern, weil eine Aufgabe nicht so gelungen war wie sie sollte, sei es von anderen Kindern, weil sie irgendetwas von ihm wollten, dass der dumme Ed ihnen nicht geben konnte. Ein Grund fand sich immer. Und wie Keene zugeben musste zumeist auch noch dazu sehr leicht. Heute hatte Keene beschlossen, dass dies ein für alle mal ein Ende haben würde.

Über Wochen hinweg hatte er Listen geschrieben. Er hatte Berechnungen angestellt was er alles brauchen würde. Und in welchen Mengen. Wie weit er weg müsse. Und was er dort, an dem Ort, von dem niemand wusste, alles zu tun hatte. Auch wie oft er es zu tun hatte. Am Ende durfte das ganze aber nicht schwerer sein als das, was er auf einmal mit sich tragen konnte. Gar nicht so leicht, wie sich herausstellte! Am Ende war er mit seinem Ergebnis aber zufrieden gewesen. Es würde funktionieren, da war er sich völlig sicher. Edwin würde es an den Kragen gehen. Keene hatte endgültig genug. Selten war er so wütend gewesen. Aber er hatte auch beschlossen, dass es das letzte Mal sein würde. Er würde nie wieder wütend werden. Er würde nur noch ändern, was nötig war um das zu beseitigen, was ihn sonst wütend gemacht hätte. Gut würde er darin sein… Auch das hatte er beschlossen.

Sonnenuntergang. Auf den musste er warten. Und das tat er auf dem Heuboden, denn dort suchte ihn niemand. Es hätte ihm so oder so niemand zugetraut da überhaupt hochzukommen. Einen sichereren Platz gab es für den Zwölfjährigen also nicht. Die Idee hier auszuharren war eine seine besten gewesen, wie er fand. Die Zufriedenheit darüber ließ die Zeit ein wenig schneller verstreichen. Kaum war die Sonne untergegangen, ließ er sich vom Heuboden hinab auf einen Heuhaufen fallen, direkt seinem Reisepack hinterher. Diesen nahm er schnell wieder auf und machte sich schnaufend auf den Weg zum Ausgang der Scheune.

Draußen war es dunkel. So dunkel, dass er es schnell mit der Angst zu tun bekam. Er sah über die Schulter. Mit großen Augen erblickte er in den Fenstern seines Elternhaus den Widerschein des prasselnden Herdfeuers. Aber nein. Nein! Wenn er jetzt umkehrte… Was war er denn dann? Wer war er denn dann? Keene schluckte, drückte seinen Reiserucksack fest an sich und lief los, so schnell ihn seine Beine trugen. Nur leise, leise musste er sein. Denn eingeholt hätte man ihn viel zu schnell, hätte man ihn gehört.

“Dein größter Feind wirst immer du selbst bleiben, Junge.” Das hatte man ihm gesagt. Er hatte es geglaubt, erkannt und danach gehandelt. Den dicken Edwin gab es nicht mehr. Niemand würde sich mehr an ihn erinnern. Keene war zufrieden. Und morgen? Morgen begann er mit seinem Training.

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